Hausärzt:in 07-08/2024

Internationale Initiative unter österreichischer Führung fördert Forschung über gesundes Altern

Die herkömmlichen Marker für Seneszenz, die ursprünglich in Zellkulturmodellen entdeckt und validiert wurden, erweisen sich oft als ungeeignet, wenn sie in der natürlichen Gewebeumgebung eingesetzt werden. Die Identifizierung und Charakterisierung seneszenter Zellen in Geweben und lebenden Organismen bleibt eine besondere Herausforderung.

In bestimmten Phasen des Lebens, wie etwa während der Embryonalentwicklung, der Heilung nach einer Verletzung oder im Alter, treten Zellen in einen Zustand ein, der als "Seneszenz" bezeichnet wird. Dieser Zustand wird meist durch zellulären Stress ausgelöst, woraufhin die Zellen ihre Teilung einstellen und stattdessen vermehrt Signalmoleküle, wie Entzündungsfaktoren, an ihre Umgebung abgeben. Während vorübergehende Seneszenz ein wichtiger Bestandteil des Heilungsprozesses ist, wird chronische Seneszenz häufig mit Gewebeschäden und vielen altersbedingten Krankheiten in Verbindung gebracht. Daher gilt die gezielte Beeinflussung von seneszenten Zellen als vielversprechende therapeutische Strategie, um altersbedingte Erkrankungen zu bekämpfen und die Geweberegeneration zu fördern. Dafür ist jedoch ein tiefes Verständnis der Seneszenzprozesse erforderlich, um diese Zellen zur richtigen Zeit gezielt angreifen zu können.

Das Ludwig Boltzmann Institut für Traumatologie, Forschungszentrum in Kooperation mit der AUVA hat es sich zur Aufgabe gemacht, die wissenschaftlichen Erkenntnisse vom Labor direkt in die Praxis zu bringen. Gemeinsam mit der Ludwig Boltzmann Forschungsgruppe für Alterung und Wundheilung und der International Cell Senescence Association (ICSA) vereinten sie weltweit führende Expert:innen auf dem Gebiet der zellulären Seneszenzforschung in vivo in einer gemeinsamen Initiative. Unter den Teilnehmenden finden sich österreichische Koryphäen von der Medizinischen Universität Wien, Universität Innsbuck und BOKU Wien, und internationale Größen der Seneszenzforschung in Europa, Amerika und Asien. Ergebnis dieser internationalen Zusammenarbeit sind die "MICSE"-Leitlinien, kurz für "Minimal Information on Cellular Senescence Experimentation in vivo". Diese wurden nun in der renommierten Fachzeitschrift "Cell" veröffentlicht. Die Leitlinien bieten ein einheitliches Set von Markern und Techniken, das für die Untersuchung seneszenter Zellen in ihrer natürlichen Umgebung im Gewebe erforderlich ist.

Durch ihre Zusammenarbeit und die Einigung auf einen universellen Rahmen können die Forscher:innen sicherstellen, dass sie alle dieselbe "Sprache" sprechen, um eine der drängendsten Herausforderungen unserer Gesellschaft anzugehen: die Überalterung der Bevölkerung und die damit verbundene hohe sozioökonomische Belastung. Es braucht Strategien, um die Gesundheitsspanne des Einzelnen zu verlängern und mehr Leben in unsere Jahre zu bringen.