Im Gehirn finden sich Glutamat-Rezeptoren in fast allen Nervenzellen, die hauptsächlich kognitive und emotionale Prozesse regulieren. Im Rahmen seines PhD am Institut für Pharmakologie an der Medizinischen Universität Innsbruck beschäftigte sich Arnau Ramos Prats mit der Funktionsweise des metabotropen Glutamat-Rezeptors 5 (mGlu5) und dessen Einfluss auf emotionale, psychische und kognitive Prozesse sowie das Sozialverhalten. Essentiell für die Kontrolle von negativen Emotionen wie Angst sind Somatotstatin ausschüttende Interneuronen (SST+). In seiner Forschungsarbeit stellte der Erstautor mit einem Team der Medizinischen Universität Innsbruck und Taipeh fest, dass mGlu5 in Somatostatin ausschüttenden Interneuronen sehr wichtig ist.
"Vorhergehende Forschungsarbeiten haben gezeigt, dass mGlu5 in Pyramidenzellen, also jenen Nervenzellen, die im Gehirn am meisten vorhanden sind, keinen Einfluss auf emotionale Prozesse hat. In der vergleichsweise kleinen Gruppe der inhibitorischen SST+ Interneuronen ist mGlu5 jedoch für die Regulation von negativen Emotionen verantwortlich", erklärt Ramos Prats. Die Forscher:innen gehen daher davon aus, dass SST+ Interneuronen für das Finetuning der Erregbarkeit von Pyramidenzellen zuständig sind. "Im Tiermodell haben wir den Rezeptor aus den SST+ Interneuronen entfernt und gesehen, dass sich damit die Gehirnaktivität verändert und die aktivierenden Neuronen nicht mehr gut kontrolliert werden", so der Neurowissenschafter.
Die überraschendste und zugleich interessanteste Erkenntnis des Projekts: Der Mechanismus greift nur bei männlichen Mäusen durchwegs. "Wir haben den mGlu5-Rezeptor aus den SST+ Interneuronen von männlichen und weiblichen Mäusen genetisch entfernt und diese sogenannten Knock-Out-Mäuse dann mit Wildtyp-Mäusen verglichen. Dabei haben wir gesehen, dass die männlichen Knock-Out-Mäuse im Vergleich zu Wildtyp-Mäusen weniger ängstlich sind, während dies bei den weiblichen Knock-Out-Mäusen nur in einer bestimmten Zyklusphase zutrifft. Das ist sehr bedeutsam für die Translation in die klinische Forschung. Viele der bisherigen Studien wurden ausschließlich mit männlichen Mäusen durchgeführt, wenngleich bekannt ist, dass mehrheitlich Frauen von Angststörungen und depressiven Erkrankungen betroffen sind. Für die Grundlagenforschung ist es wichtig zu wissen, dass die weibliche und männliche Gehirnaktivität abhängig von der Hormonregulierung unterschiedlich ist", betont Ramos Prats.
Die Forschungsarbeit wurde im Fachjournal "Molecular Psychiatry" publiziert.
Ramos-Prats et al. (2024). Loss of mGlu5 receptors in somatostatin-expressing neurons alters negative emotional states. Molecular Psychiatry. https://doi.org/10.1038/s41380-024-02541-5