Die Pocket-Leitlinie der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie (European Society of Cardiology, ESC) fasst Informationen zur klinischen Versorgung hinsichtlich des akuten Koronarsyndroms (ACS) zusammen, die aus der Langfassung der Leitlinien entnommen sind.
Erstmals fassen die ACS-Leitlinien die Empfehlungen zum Management von Patient:innen mit ST-Hebungsinfarkt und Nicht-ST-Hebungs-ACS in einer Leitlinie zusammen. Angepasst wurden die Empfehlungen für den optimalen Zeitpunkt einer Koronarangiografie und -intervention. Das invasive Management innerhalb von 24 Stunden ist bei Patient:innen mit NSTE-ACS und hohem Risiko nur noch eine Kann-Empfehlung. Keine sofortige Koronarangiografie wird bei Patient:innen empfohlen, die einen plötzlichen Herztod außerklinisch überlebt haben und weder ST-Hebungen noch einen kardiogenen Schock aufweisen.
Hinsichtlich der antithrombozytären Therapie bieten die Leitlinien verschiedene Strategien zur Deeskalation. Bei Patient:innen ohne Antikoagulation ist eine Verkürzung der weiterhin als Standard für 12 Monate empfohlenen dualen Plättchenhemmung (DAPT) auf 1–6 Monate möglich. Außerdem kann von einem potenten P2Y12-Inhibitor (Prasugrel oder Ticagrelor) auf Clopidogrel gewechselt werden. Keine Änderung der DAPT ist nur im ersten Monat nach ACS erlaubt. In diesem Zeitraum wird die Kombination aus ASS und einem potenten P2Y12-Inhibitor (Prasugrel bevorzugt gegenüber Ticagrelor) klar empfohlen.
Einen erheblich höheren Stellenwert hat die langfristige Nachsorge nach ACS in den neuen Leitlinien erhalten. Die Verwendung von medikamentösen Kombinationspräparaten ("Polypillen") wird zur Steigerung der Adhärenz empfohlen. Nach dem ACS sollte zudem unverzüglich eine Sekundärprophylaxe eingeleitet bzw. intensiviert werden, wobei der LDL-Cholesterin-Zielwert <55 mg/dL betragen sollte. Bereits nach 4–6 Wochen sollte die erste Laborkontrolle durchgeführt werden, um gegebenenfalls die Therapieintensität weiter zu erhöhen.