Prof.in WINHOFER-STÖCKL: Ganz klar: nein! Zumindest sagt das der heutige Stand der Wissenschaft: Niedrige LDL-Cholesterin-Werte sehen wir heute vor allem bei Menschen, die mit sogenannten PCSK9-Hemmern ("Cholesterinspritzen") behandelt werden. PCSK9 ist ein Enzym der Leber, das das LDL-Rezeptor-Recycling verhindert. Die Idee zu diesen Therapien kam aus der Natur. Es gibt Familien mit einer Loss-of-Function-Mutation des PCSK9-Gens, das heißt, sie produzieren kein PCSK9, haben dementsprechend niedrige LDL-C-Werte und ein geringes kardiovaskuläres Risiko, sind aber auch sonst gesund! Es gibt aber auch Familien mit einer Gain-of-Function-Mutation, die besonders hohe LDL-C-Werte und eine "prämature ASCVD" aufweisen. Sie zählen zur Gruppe der Menschen mit familiärer Hypercholesterinämie (FH).1,2
Man darf sich von niedrigen LDL-C-Werten im Labor auch nicht täuschen lassen. Bei den meisten Laborbefunden bekommt man einen mit der Friedewald-Formel errechneten LDL-C-Wert, der bei niedrigen Werten falsch niedrig sein kann.1 Das heißt, hier müsste man LDL-C direkt bestimmen lassen.
Es gibt auch keinen Hinweis auf Steroidhormon- oder Vitamin-E-Mangel bzw. Unterversorgung des Gehirns, da es das Cholesterin sowieso aus dem HDL-Cholesterin bezieht. Neugeborene und Kleinkinder haben übrigens ebenfalls ganz niedrige LDL-C-Werte und gedeihen damit hervorragend.2 Also keine Angst, mit einer effektiven lipidsenkenden Therapie schützen Sie Ihre Patient:innen – Sie gefährden sie nicht!