"Tatsächlich sind von 100.000 Säuglingen 21 bis 35 von einem Schütteltrauma betroffen", betonen Prim. Univ.-Prof. Dr. Johannes Schalamon und Oberarzt DDr. Christoph Arneitz von der Kinder- und Jugendchirurgie im Klinikum Klagenfurt am Wörthersee mit Blick in die Statistik. In Folge eines Schütteltraumas kommt es im leichtesten Fall zu Unruhe, Trägheit oder Nahrungsverweigerung. Bei schweren Fällen kann es zu Atem- und/oder Herzstillstand, Krampfanfällen, Koma oder Tod kommen. "Die Sterblichkeit liegt zwischen 18 und 25 %, bis zu 80 % der Kinder leiden an neurologischen Langzeitschäden", erklärt Schalamon. Auffallend ist laut Schalamon, dass die Täter, meist würde es sich um Männer handeln, nicht wussten, welche dramatischen Folgen das Schütteln für das Kind haben kann. Auch die psychische Belastung durch exzessives, stundenlanges Weinen und Schreien des Nachwuchses ist in der Gesellschaft noch immer als Tabuthema angesehen. Betroffenen fehlt es oft an Bewältigungsstrategien und Ansprechpartnern.
Vor diesem Hintergrund führten die Mitarbeiter:innen der Kinder- und Jugendchirurgie in Kooperation mit der Med Uni Graz eine wissenschaftliche Studie zum Thema "Erkennung und Umgang mit Schreibabys" durch, die im Frühjahr 2024 veröffentlicht wurde. Dabei befragten die Mediziner:innen 319 Menschen über 18 Jahren zu ihrem Wissen über Schütteltrauma. Mithilfe eines Videos, in dem eine Babypuppe geschüttelt wurde, sowie eines Fragebogens wurden erstmals valide Daten erhoben. Es zeigte sich, dass 98,4 % der Befragten davon überzeugt sind, dass Schütteln dem Baby schadet. Auch tödliche Folgen hielten 98,1 % für möglich. Lediglich 2,8 % hielten ernsthafte Verletzungen für sehr unwahrscheinlich. Auch, dass schwere Folgen schon durch einmaliges Schütteln auftreten, ist 93,4 % der Befragten bewusst. Jedoch zeigte sich bei den Probanden eine große Unsicherheit über das Schreiverhalten von Säuglingen und wie man am besten darauf reagiert, wenn das eigene Kind einfach nicht mehr aufhören will zu weinen.
"Broschüren und Beratungsstellen waren den Teilnehmer:innen kaum bekannt. Nur 9 % wurden zum Thema Schreibabys aufgeklärt", hält Arneitz fest. Genau an diesem Punkt wollen die Kinder- und Jugendchirurgen nun ansetzen: "Wir müssen Eltern, speziell aber Väter, im Rahmen von Geburtsvorbereitungskursen, der Hebammenbetreuung vor und nach der Geburt oder bei Mutter-Kind-Pass-Untersuchungen aufklären." An den Abteilungen für Kinder- und Jugendheilkunde im LKH Villach und Klinikum Klagenfurt stehen Schreiambulanzen mit Terminvereinbarung sowie Notfallambulanzen rund um die Uhr für Hilfe zur Verfügung.