Hausärzt:in 07-08/2024

Postoperative Schmerzen: Zugrundeliegende Mechanismen entdeckt

Eine internationale Forschungsgruppe unter der Leitung von MedUni Wien und IMBA – Institute of Molecular Biotechnology, Wien, konnte entscheidende Fortschritte im Verständnis jener Mechanismen erzielen, die das Schmerzempfinden nach chirurgischen Eingriffen beeinflussen.

Das Team um die Studienleiter Priv. Doz. Philipp Starkl, PhD (Universitätsklinik für Innere Medizin I der MedUni Wien), Shane Cronin (Klinisches Institut für Labormedizin der MedUni Wien, IMBA) und Prof. Dr. Josef Penninger (Klinisches Institut für Labormedizin der MedUni Wien, IMBA, Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung, Braunschweig) baute bei seinen Forschungen auf frühere Erkenntnisse zur Rolle der Substanz Tetrahydrobiopterin (BH4) bei neuropatischen Schmerzen auf: Je höher die Konzentration von BH4, desto stärker die Nervenschmerzen. "Ob diese Korrelation auch bei postoperativen Schmerzen gilt, wurde bisher nicht untersucht", erklärt Penninger die Ausgangssituation der Studie.

Die Forscher:innen konnten in einer Reihe von Experimenten an Mausmodellen mit chirurgisch ausgelösten Hautverletzungen und mithilfe neuartiger Analysemethoden sowohl die zentrale Rolle von BH4 bei postoperativen Schmerzen als auch die zugrundeliegenden Mechanismen aufdecken. Dabei stellten sie fest, dass das angeborene Immunsystem eine entscheidende Rolle spielt, da die Signalkaskade in speziellen Mastzellen, die in der Nähe von schmerzempfindlichen Nervenzellen in der Haut positioniert sind, startet. Diese Mastzellen fungieren nach einer Operation als Produktionsstätte für BH4. "Bei Mäusen, deren Mastzellen kein BH4 produzierten, konnten wir eine drastisch verringerte Schmerzempfindlichkeit nach einem chirurgischen Eingriff beobachten. Umgekehrt zeigte sich, dass eine erhöhte BH4-Produktion durch Mastzellen mit stärkeren Schmerzen verbunden war", erläutert Cronin. 

Bisherige Behandlungsmethoden bei postoperativen Schmerzen sind mit teils erheblichen Nebenwirkungen verbunden und oft nur begrenzt wirksam. Nun wurde mit der Blockade der BH4-Produktion in Mastzellen ein vielversprechender Ansatz gefunden. Das Team um Starkl, Penninger und Cronin hat dazu bereits einen therapeutischen Ansatz entwickelt, bei dem eine Wirksubstanz direkt auf die Haut aufgetragen werden kann, um die BH4-Konzentration spezifisch und prophylaktisch zu verringern. "Wir sehen hier großes Potenzial für eine lokale und gezielte Therapiemöglichkeit, um sowohl postoperative Schmerzen als auch die Wahrscheinlichkeit, dass der Schmerz chronisch wird, zu reduzieren", so die Studienautoren.

Die Studie wurde in der Fachzeitschrift "Science Immunology" veröffentlicht.

Starkl et al. (2024). Mast cell–derived BH4 and serotonin are critical mediators of postoperative pain. Science Immunology, 9(98). https://doi.org/10.1126/sciimmunol.adh0545