Hausärzt:in 07-08/2024

Herzinfarkt: Antikörper zum Schutz vor Folgeschäden identifiziert

Eine Studie unter Leitung der MedUni Wien entschlüsselte bisher unbekannte zelluläre Prozesse im verschlossenen Herzkranzgefäß, die zum Herzinfarkt führen können. Zudem wurden natürliche Antikörper identifiziert, die die Folgeschäden eines Infarktes begrenzen können.

In einer gemeinsamen Forschungsarbeit von Anna Ondracek, BSc, MSc, und Taras Afonyushkin, PhD, zwei Wissenschafter:innen des interdisziplinären Teams von Univ.-Prof. Dr. Dr. Christoph Binder (Klinisches Institut für Labormedizin) und Univ.-Prof.in Dr.in Irene Lang (Universitätsklinik für Innere Medizin II, Klinische Abteilung für Kardiologie), wurden neue Einblicke in das entzündliche Geschehen beim Verschluss eines Herzkrankgefäßes gewonnen. Sie knüpften dabei an bereits bestehendes Wissen darüber an, dass zum Zeitpunkt eines Herzinfarkts viele Vesikel von Zellen in die Blutbahn freigesetzt werden, um Signale zwischen Zellen weiterzuleiten. Das Forschungsteam konnte in ihrer Studie wichtige neue Details über die Eigenschaften dieser Vesikel zeigen. So wurde festgestellt, dass die Vesikel im Infarktgefäß bestimmte Immunzellen (neutrophile Granulozyten) aktivieren, die u. a. die Ausschüttung von entzündungsfördernden Botenstoffen auslösen und neutrophile extrazelluläre Fallen (NETs) freisetzen können. "Die Bildung von NETs im Gefäßsystem ist problematisch, weil sie rote Blutzellen und Blutplättchen einfangen können, was durch Thrombosen zum Verschluss von Herzkranzgefäßen und letztlich zu einem Herzinfarkt führen kann", erläutert Ondracek.

Den Ergebnissen zufolge fördert der entdeckte Prozess einen Entzündungskreislauf, der mit einer Verschlechterung der Herzfunktion einhergeht. Die Forscher:innen begaben sich auf die Suche nach körpereigenen Schutzfaktoren, die den folgenschweren Teufelskreis durchbrechen könnten. Dabei stießen sie auf die angeborenen Antikörper vom Typ IgM. Es konnte in verschiedenen Experimenten dargelegt werden, dass die Zugabe von spezifischem IgM die Freisetzung von NETs erheblich reduziert. Patient:innen, die höhere Spiegel dieser schützenden Antikörper hatten, wiesen auch eine verringerte Produktion von NETs auf. Hohe Spiegel dieser IgM-Antikörper bedeuteten zugleich eine bessere Herzfunktion nach einem Herzinfarkt. "Unsere Daten zeigen, dass die erhöhte Produktion von entzündungsfördernden Faktoren durch das Vorhandensein von schützendem IgM kompensiert werden kann", so Ko-Erstautor Afonyushkin.

Studienleiter:innen Binder und Lang fassen die Tragweite der Ergebnisse zusammen: "In unserer Studie konnten wir nicht nur jene Faktoren identifizieren, die einen Gefäßverschluss und somit Herzinfarkt auslösen, sondern auch die Mechanismen, die vor den Folgeschäden schützen können."

Die Studienergebnisse stellen eine vielversprechende Grundlage für die Entwicklung gezielter Therapien dar und wurden kürzlich im "European Heart Journal" publiziert.

Ondracek et al. (2024). Malondialdehyde-specific natural IgM inhibit NETosis triggered by culprit site-derived extracellular vesicles from myocardial infarction patients. European Heart Journal. https://doi.org/10.1093/eurheartj/ehae584