Hausärzt:in 07-08/2024

Schwangerschaftsdiabetes: Früher Behandlungsstart als wichtiger Faktor

Neue Erkenntnisse einer australischen Studie aus dem Jahr 2023 zeigen, dass die Grundlagen für Komplikationen bereits vor der 20. Woche gelegt werden. Aus Graz waren Sportwissenschafterin Univ.-Prof.in Mireille van Poppel (Universität Graz) und der Biochemiker Ao. Univ.-Prof. i. R. Dr. phil. Gernot Desoye (Med Uni Graz) beteiligt. 

Weltweit gehört Schwangerschaftsdiabetes zu den häufigsten Komplikationen während der Schwangerschaft. So sind etwa 14 % aller werdenden Mütter davon betroffen. Früher dachte man, dass nur der Konsum von Nikotin, Alkohol und Drogen in der Schwangerschaft zu Problemen führt. Jedoch spielen weitaus mehr Faktoren eine Rolle. "Die zunehmende Anzahl von Frauen mit Schwangerschaftsdiabetes ist auf Faktoren wie Übergewicht, Stress und ungesunden Lebensstil zurückzuführen. Zusätzlich können Umweltbelastungen wie Feinstaub oder bestimmte Chemikalien zur Entwicklung von Schwangerschaftsdiabetes beitragen", erläutert Gernot Desoye. "Während sich der Glukosestoffwechsel der Mutter nach der Entbindung normalisiert, kann es beim Kind zu Spätfolgen wie Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Adipositas kommen. Wenn der Fötus im Bauch der Mutter ständig Glukose verarbeiten muss, produziert er vermehrt Insulin, was zu Zellschäden führen kann", hält Mireille van Poppel fest. 

Schwangerschaftsdiabetes als Komplikation wurde bislang im letzten Trimester betrachtet. Jedoch zeigen aktuelle Forschungen, dass die Erkrankung und ihre Vorläufer in 30 bis 70 % der Fälle schon früher diagnostiziert werden können. Das Risiko kann durch richtige Ernährung und ausreichende Bewegung bereits vor der 20. Woche gesenkt werden. "Während die Pathophysiologie des Schwangerschaftsdiabetes in der zweiten Hälfte der Schwangerschaft gut erforscht ist, fehlen uns grundlegende Kenntnisse darüber zu Beginn der Schwangerschaft", weist Desoye hin.

"Es ist wichtig, Schwangere mit Risikofaktoren für Schwangerschaftsdiabetes früh, bestenfalls vor der 14. Schwangerschaftswoche, zu testen und eine notwendige Behandlung einzuleiten. Frühe Erkennung und eine Verbesserung des Lebensstils mit gesünderer Ernährung, mehr Bewegung und weniger Sitzen können zur Verringerung des Komplikationsrisikos beitragen", betonen Van Poppel und Desoye in einem kürzlich veröffentlichten Kommentar in Lancet Diabetes Endocrinology. Auch nach der Geburt sollten Frauen, die an Schwangerschaftsdiabetes litten, jährlich untersucht werden. Damit mögliche Folgekomplikationen wie Typ-2-Diabetes oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen früh erkannt werden.

Die Prävention und Behandlung von Schwangerschaftsdiabetes wird in einem Editorial sowie einer dreiteiligen Serie an Publikationen im Journal "Lancet" thematisiert.