Hausärzt:in 11/2024
Ärzt:in Assistenz 02/2024

ÖGPP besorgt: Das neue Psychotherapiegesetz hat gravierende Mängel

Das kürzlich beschlossene Psychotherapiegesetz ermöglicht die Ausbildung von Psychotherapeut:innen ohne Verpflichtung sich praktisches Wissen in psychiatrischen Facheinrichtungen anzueignen.

Kürzlich wurde im österreichischen Nationalrat ein neues Psychotherapiegesetz beschlossen, das vorsieht, dass Psychotherapeut:innen psychisch Erkrankte künftig eigenverantwortlich diagnostizieren und behandeln dürfen. Das betrifft Menschen, die z. B. an schweren Depressionen, bipolaren Störungen, schweren Angststörungen oder Schizophrenie leiden.

Dass Psychotherapeut:innen im Gegensatz zu anderen Gesundheitsberufen zukünftig nicht verpflichtet sind, zumindest Teile der praktischen Ausbildung an psychiatrischen Facheinrichtungen bzw. in medizinischen Institutionen zu absolvieren, findet die Österreichische Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik (ÖGPP) besorgniserregend. Seitens der ÖGPP wurde angeregt, dass zumindest die Hälfte der praktischen Ausbildung im Rahmen des dritten Ausbildungsabschnitts in Einrichtungen der psychiatrischen Krankenbehandlung erfolgen soll. Diese Anregung habe jedoch keine Beachtung im nunmehr verabschiedeten Gesetz gefunden. Auch ist es nicht verpflichtend vorgesehen, dass bei Verdacht auf eine psychische oder körperliche Erkrankung vor Beginn der Psychotherapie eine ärztliche Abklärung durchgeführt werden muss. 

Fachärzt:innen für Psychiatrie und Psychotherapeutische Medizin absolvieren im Rahmen ihrer Ausbildung nach Ärztegesetz eine psychotherapeutische Ausbildung, die insgesamt um vieles umfangreicher sei als die postgraduale praktische Ausbildung nach dem Psychotherapiegesetz. Das neue Gesetz sehe allerdings vor, dass Psychiater:innen erst nach Abschluss ihrer fachärztlichen Ausbildung die praktische Ausbildung nach Psychotherapiegesetz beginnen können. Es würde also von Fachärzt:innen für Psychiatrie und Psychotherapeutische Medizin verlangt werden, dass große Teile der postgradualen praktischen Ausbildung zuerst einmal nach Ärztegesetz und dann nochmals nach Psychotherapiegesetz absolviert werden müssen. Dies sei laut ÖGPP inhaltlich nicht nachvollziehbar und eine enorme Verschwendung finanzieller und personeller Ressourcen.

Der Nutzen einer vernetzten Zusammenarbeit unterschiedlicher Berufsgruppen sei im Fachgebiet der Psychiatrie wissenschaftlich erwiesen und schon lange erfolgreich etablierte Praxis. Dafür werden auch psychiatrisch erfahrene und gut ausgebildete Psychotherapeut:innen benötigt. Das neue Psychotherapiegesetz ermögliche eine Ausbildung von Psychotherapeut:innen unter Umgehung praktischer Erfahrungen im medizinisch-psychiatrischen Kontext. Die ÖGPP zeigt sich besorgt, dass Psychotherapeut:innen künftig nur unzureichend auf die komplexen multiprofessionellen Behandlungserfordernisse erkrankter Menschen vorbereitet sein werden. Nachteile vor allem für schwer Erkrankte seien zu befürchten.