Das Team um die Erstautor:innen DI PhD. Bernhard Kratzer und Dr.in Pia Gattinger sowie die Studienleiter Univ.-Prof. Dr. Rudolf Valenta und Winfried Pickl, M.D. (alle vom Zentrum für Pathophysiologie, Infektiologie und Immunologie der MedUni Wien) untersuchte im Rahmen der Studie relevante Immunparameter von 133 COVID-19-Genesenen und 98 Personen ohne entsprechende Infektion. Bei den Genesenen wurden dabei jeweils zehn Wochen und zehn Monate nach deren Erkrankung sowohl die vorhandene Anzahl und Zusammensetzung verschiedener Immunzellen als auch die Wachstumsfaktoren im Blut analysiert, die u. a. eine entscheidende Rolle bei der Regulation des Zellwachstums spielen. Nachdem zum Start der Forschungsarbeit 2020 noch keine COVID-19-Impfstoffe zur Verfügung standen, waren sämtliche Teilnehmer:innen ungeimpft. Die Langzeitwirkungen von SARS-CoV-2-Infektionen konnten somit ohne Einfluss von Impfstoffen untersucht werden.
"Nicht ganz unerwartet, wiesen die Genesenen zehn Wochen nach der Infektion im Gegensatz zu gesunden Proband:innen sowohl bei den T- als auch bei den B-Zellen deutliche Anzeichen einer Immunaktivierung auf", erklärt Pickl. Die Wachstumsfaktoren im Blut nahmen das Muster eines akut-entzündlichen Geschehens an. Beim Vergleich mit den Patient:innenproben, die zehn Monate nach der COVID-19-Erkrankung gewonnen worden waren, zeigte sich dem Forschungsteam ein unerwartetes Bild: "Selbst nach milden Krankheitsverläufen stellten wir eine deutliche Verringerung von Immunzellen im Blut fest", berichtet Pickl. Der bekannte Abfall SARS-CoV-2-spezifischer Antikörper und eine erstaunliche Veränderung der Wachstumsfaktormuster wurden nebenbei im Blut beobachtet. Für COVID-19-Genesene bedeutet dies, dass ihr Immunsystem möglicherweise nicht mehr optimal reagiert, woraus sich eine Erklärung für Long-COVID ableiten lassen könnte.
Die Langzeitfolgen der Erkrankung werden vermutlich durch eine Infektion und der daraus folgenden, langanhaltenden Beeinträchtigung der Funktion des Knochenmarks hervorgerufen. "Unsere Ergebnisse liefern eine mögliche Erklärung dafür, dass bestimmte Langzeitfolgen von COVID-19 mit der Schädigung des zellulären Immunsystems durch SARS-CoV-2 und der offensichtlich verminderten Reifung und/oder Auswanderung der Immunzellen aus dem Knochenmark zusammenhängen könnten", so Pickl und Valenta abschließend.
Die Studie wurde im Fachjournal "Allergy" publiziert.
Kratzer B., Gattinger P., Trapin D et al. (2024). Differential decline of SARS-CoV-2-specific antibodylevels, innate and adaptive immune cells, and shift of Th1/inflammatory to Th2 serum cytokine levels long after first COVID-19. Allergy. 2024; 00:1-20. https://doi.org/10.1111/all.16210.