Hausärzt:in 11/2024
Ärzt:in Assistenz 02/2024

Blasenkrebs: Chemo-Tauglichkeit besser berechenbar im 24-Stunden-Urin

Forscher:innen der Med Uni Innsbruck konnten mit der Berechnung der Nierenfunktion aus dem 24-Stunden-Urin eine einfache Methode bestätigen, mit der die Chemo-Tauglichkeit verlässlich festgestellt werden kann. Ein größerer Anteil an Patient:nnen kann dadurch einer Chemotherapie vor der OP zugeführt werden.

Die Kreatinin-Clearance spielt bei Patient:innen mit muskelinvasivem Blasenkarzinom (MIBC) als Indikator für die Chemo (bzw. Cisplatin)-Tauglichkeit vor einer operativen Entfernung der Harnblase eine zentrale Rolle. "In der klinischen Routine gelten Patient:innen mit einer Kreatinin Clearance über 60 ml/min als Cisplatin-tauglich. Die cisplatinhaltige Chemotherapie mit nachfolgender operativer Komplett-Entfernung der Harnblase ist der derzeitige Goldstandard beim muskelinvasiven Blasentumor", erklärt Studienleiterin Renate Pichler. Sie bemerkte, dass an der Innsbrucker Univ.-Klinik für Urologie, an der eine Messung routinemäßig auch über den 24-Stunden-Harn erfolgt, ein im Vergleich zu anderen Zentren relevant höherer Anteil an Chemo-tauglichen Patient:innen erfasst wird. 

Eine interdisziplinäre und retrospektive Multicenterstudie wurde daraufhin durchgeführt: Rund 1.000 Patient:innen mit muskelinvasivem Blasenkrebs, die zwischen 2011 und 2021 in verschiedenen europäischen Zentren einer radikalen Blasenentfernung mit oder ohne vorheriger Chemotherapie unterzogen worden waren, wurden in der Studie berücksichtigt. Das Team um Pichler ermittelte den Anteil Chemo-tauglicher Patient:innen auf Basis von vier verschiedenen Serumformeln für die Kreatinin Clearance. Unabhängig davon, welche Serumformel herangezogen wurde, wurde ein Anteil von 25 bis 30 % der Patient:innen als nicht Chemo-tauglich nachgewiesen. Zudem erfolgte bei einer Sub-Kohorte von 250 Proband:innen die Messung aus dem 24-Stunden-Urin. "Wir stellten fest, dass die aus dem 24-Stunden-Urin ermittelte Kreatinin Clearance bei mehr als 80 % dieser Patient:innen über 60 ml/min betrug und somit eine Chemo-Tauglichkeit vorlag. Das lässt die Annahme zu, dass ein signifikanter Anteil von Patient:innen aufgrund einer alleinigen Serum-Messung nicht richtig eingestuft wird und im schlimmsten Fall untertherapiert ist", berichtet Pichler. Die Ergebnisse haben, vor dem Hintergrund, dass es ohne präoperative Chemotherapie trotz kompletter Blasenentfernung in 50 % der Fälle zu Rezidiven kommt, hohe klinische Relevanz.

Die Studienergebnisse wurden im Fachjournal "The Oncologist" veröffentlicht.
Pichler et al. (2024). Cisplatin eligibility in the neoadjuvant setting of patients with muscle-invasive bladder cancer undergoing radical cystectomy. The Oncologist. https://doi.org/10.1093/oncolo/oyae160