Hausärzt:in 03/2025
Ärzt:in Assistenz 03/2024

Gute Vorsätze gescheitert – was nun?

Blauer Wecker mit gelbem Blitz
Patient:innen-Fragen kompetent beantworten.
© peerapong / stock.adobe.com
Anna K. (39) ist Mutter von zwei Kindern im Grundschulalter und als Produktmanagerin in einem internationalen Unternehmen tätig. Ihr Job ist fordernd – sie trägt Verantwortung für einen siebenstelligen Umsatz, sitzt in Meetings und jongliert mit E-Mails. Sobald die Arbeit getan ist, wartet die nächste "Schicht": bei Hausaufgaben helfen, Abendessen zubereiten, Streit schlichten und Qualitätszeit mit der Familie verbringen. Eine Auszeit hat sie nur kurz am Sofa vor dem Fernseher. Ihr stressiges Leben fordert einen Tribut: Ihr Rücken zwickt, sie wälzt sich im Schlaf und gibt öfters Heißhungerattacken nach. Die Waage zeigt: ein paar Kilos zu viel. An Anläufen, das zu ändern, hat es nicht gefehlt – doch nach wenigen Wochen heißt es wieder: Pralinen und Netflix statt Online-Yogakurs. Schuld- und Schamgefühle inklusive. Anna K. wird in der Sprechstunde vorstellig und möchte wissen, was sie tun kann.
Autor:in
Marcus Täuber

Dr. Marcus Täuber (Neurobiologe, psychologischer Berater, Vortragender und Bestsellerautor)

Dr. TÄUBER: Zunächst einmal gilt es, die Botschaft zu vermitteln: Sie sind nicht allein! Viele Patient:innen leiden unter Stress, bewegen sich zu wenig, ernähren sich ungesund. Sie nehmen sich Veränderungen vor – und dann verlaufen diese Pläne im Sand. Nur etwa 10 – 15 % der Menschen schaffen es langfristig, an ihren Vorsätzen festzuhalten. Ein voller Terminkalender macht die Herausforderung nicht leichter.

Warum ist Veränderung so schwer?

  1. Unbewusste Kräfte: Ungesunde Gewohnheiten sind Routinen, die sich in den Tiefen des Gehirns, den Basalganglien, eingeschliffen haben. Sie werden durch Auslöser wie Stress reflexartig aktiviert – unser bewusster Wille spielt dabei nur eine Nebenrolle.
  2. Mythos: Der populäre Glaube, dass neue Gewohnheiten in drei Wochen etabliert seien, ist falsch. 21 Tage reichen zur Veränderung nicht aus. Laut einer Studie von Philippa Lally et al. dauert es im Durchschnitt 66 Tage, bis eine einfache Verhaltensweise, wie regelmäßig ein Glas Wasser zu trinken, automatisiert wird – ein gesünderer Lebensstil kann einige Monate erfordern, um in Fleisch und Blut überzugehen.
  3. Fehlender guter Grund und ungenauer Plan: "Abnehmen" oder "gesünder leben" sind unspezifische Wünsche. Rückschläge gehören dazu. Meistens werden diese aber verdrängt statt eingeplant. Daraus resultierende Schuldgefühle erhöhen das Risiko, erneut zu scheitern. 

Wie können die Ziele diesmal erreicht werden?

  1. Finden Sie einen guten Grund für Ihr Vorhaben? Ein guter Grund erhöht die Erfolgsquote um das bis zu Zehnfache. Er sollte ein starkes Bild im Kopf erzeugen und sich als gutes Gefühl im Körper äußern.
  2. Machen Sie kleine Schritte – nicht große Sprünge: Setzen Sie sich realistische, erreichbare Ziele. Beispiel: Statt "Ich will abnehmen" definieren Sie eine kleine, konkrete Veränderung wie "Ich trinke ab sofort Wasser statt Softdrinks" oder "Ich esse täglich eine Portion Gemüse".
  3. Der Weg ist das Ziel: Fokussieren Sie sich nicht nur auf das Endziel, sondern gestalten Sie auch den Veränderungsprozess positiv. Wer Yoga machen möchte, könnte für sich ein Wohlfühleck gestalten und sagen: "Ich genieße es, mich zu dehnen." So wird Dopamin mit der Tätigkeit selbst verknüpft.
  4. Nutzen Sie WOOP: Diese geht auf Gabriele Oettingen und Peter Gollwitzer zurück. Dabei definieren Sie Ihren Wunsch (Wish), malen sich das Ergebnis aus (Outcome), berücksichtigen Widerstände und Herausforderungen (Obstacles) und entwerfen einen "Wenn-dann"-Plan, wie Sie darauf reagieren (Plan). Dieses Vorgehen sollten Sie mindestens zweimal am Tag im Kopf durchspielen.
  5. Setzen Sie auf echte Entspannung: TV, Internet, soziale Medien – all das überreizt das Gehirn weiterhin, sodass die Psyche nicht zur Ruhe kommt. Naturerlebnisse, positive Gedanken und meditative Zustände fördern die Regeneration unseres Gehirns.

Psychohygiene ist das Fundament unseres Wohlbefindens. Sie sollte daher so selbstverständlich sein wie Körperhygiene.