HAUSÄRZT:IN: Welche Bedeutung kommt der Arbeitsgruppe Herzinsuffizienz in der Österreichischen Kardiologischen Gesellschaft (ÖKG) und beim jährlichen Workshop zu?
OA MÖRTL: Die Arbeitsgruppe Herzinsuffizienz gehört zu den aktivsten Arbeitsgruppen der ÖKG. Zu ihren Agenden zählen die Zertifizierung von Herzinsuffizienzspezialist:innen und Spezialambulanzen, das Verfassen von Positionspapieren, die Entwicklung von Heart-Failure-Awareness-Kampagnen und eben die Durchführung von Fortbildungsveranstaltungen wie dem jährlichen Consensus Meeting in Wien.
Dieses existiert seit über 25 Jahren und bietet bei freiem Eintritt hochqualitative Fortbildung mit aktuellen Inhalten zum Thema Herzinsuffizienz. Es findet immer am letzten Samstag im Jänner statt und hat mit regelmäßig über 230 Teilnehmenden ein großes Stammpublikum.
Das diesjährige Thema war Herzinsuffizienz als Komorbidität. Welche Bedeutung kommt diesem zu?
Man schätzt, dass 350.000 Österreicher:innen unter Herzinsuffizienz leiden. Herzinsuffizienz ist die häufigste Entlassungsdiagnose bei über 65-Jährigen und ihre Prävalenz im Zunehmen begriffen. Das heißt, dass unabhängig davon, auf welchem Gebiet der Erwachsenenmedizin man tätig ist, man unentwegt auf Herzinsuffizienzpatient:innen trifft.
Können Sie uns Beispiele nennen?
Krebserkrankungen begünstigen eine Herzinsuffizienz, insbesondere die Chemotherapie, die die Patient:innen erhalten. Deshalb ist ein engmaschiges kardioonkologisches Management gefragt, um bei Entstehen einer Herzinsuffizienz unter Chemotherapie rechtzeitig gegensteuern zu können. Nebst anderen typischen kardiovaskulären Risikofaktoren ist auch die Adipositas mit Herzinsuffizienz assoziiert. Für die Adipositas gibt es seit kurzem zugelassene Medikamente, die ebenso bei Herzinsuffizienz als Komorbidität Wirkung zeigen. Auch bei kardialen oder nichtkardialen Operationen ist die Herzinsuffizienz eine Komorbidität, die besondere Beachtung in der Anästhesie findet.
Inwiefern ist dieses mögliche Zusammenspiel – bei Diagnose und Therapie – miteinzubeziehen?
Bei Vorliegen einer Herzinsuffizienz als Komorbidität ist die jeweilige Erkrankung oft anders zu behandeln als ohne Herzinsuffizienz. Zum Beispiel hat eine adaptive Servoventilation, eine sonst akzeptierte Schlafapnoetherapie, zu einer erhöhten Sterberate geführt, wenn eine Herzinsuffizienz mit reduzierter Auswurffraktion als Komorbidität vorlag. Die Behebung eines Eisenmangels bei Herzinsuffizienz ist nur mit intravenöser Eisengabe sinnvoll, da orales Eisen kaum resorbiert wird. COPD und Herzinsuffizienz kommen so häufig gemeinsam vor, dass auch immer nach der jeweils anderen Erkrankung gesucht wird und beide gegebenenfalls therapiert werden sollten.
Welchen Einfluss hat der Klimawandel auf die Herzinsuffizienz und was kann man tun?
Patient:innen mit Herzinsuffizienz sind im Rahmen des Klimawandels vor allem durch die zunehmenden Hitzeperioden und Extremwetterereignisse, die Feinstaubbelastung bei vermehrten Bränden und Infektionen durch bisher bei uns kaum anzutreffende Krankheitserreger bedroht. Die konkreten Auswirkungen auf die Patient:innen hängen stark von ihrem sozioökonomischen Status ab.
Unabhängig von allgemeinen klimafreundlichen Maßnahmen werden für die individuellen Patient:innen eine klimasensitive Beratung mit Schärfung des Risikobewusstseins und die Schulung in puncto Medikamentenanpassungen (z. B. Heidelberger Hitzetabelle) immer wichtiger.
Was macht das Consensus Meeting als DFP-Fortbildungsveranstaltung für niedergelassene Ärzt:innen so interessant?
Die Vergabe von DFP-Punkten soll sicherstellen, dass die Fortbildungen bestimmte fachliche Qualitätskriterien erfüllen und keine inhaltliche Einflussnahme, zum Beispiel durch die Industrie, besteht. Auch niedergelassene Ärzt:innen stehen im Werbefokus der Pharmaindustrie und benötigen deshalb Fortbildungen, die unabhängige und kritische Informationen zu aktuellen medizinischen Vorgehensweisen bieten.