Hausärzt:in 11/2024
Ärzt:in Assistenz 02/2024

Die kritischen Jahre 1930 bis 1960 und die Folgen

Einladung zum Event "Geschichte der Gesellschaft der Ärzte in Wien: Die kritischen Jahre 1930 bis 1960 und die Folgen"
Die Veranstaltung am 9. Oktober 2024 im Billrothhaus (und online) ist der vorläufige Abschluss des gleichnamigen Projekts zur Aufarbeitung der Vereinsgeschichte im 20. Jahrhundert.
© Gesellschaft der Ärzte

Die Machtübernahme durch die Nationalsozialisten am 12. März 1938 führte zum Umbau und später zur Löschung der Gesellschaft der Ärzte in Wien gemäß dem "Gesetz über die Überleitung und Eingliederung von Vereinen und Verbänden" vom 17. Mai 1938. An ihre Stelle trat Anfang 1939 die nationalsozialistische "Wiener Medizinische Gesellschaft".

In deren Vorstand war eine teilweise personelle Kontinuität zur Periode vor 1938 erkennbar, die Leitung übernahm der Gynäkologe und NSDAP-"Gauärzteführer" Otto Planner-Plann. Jüdische Mitglieder wurden in die Nachfolgegesellschaft nicht aufgenommen. Trotz der sofort einsetzenden Diskriminierungsmaßnahmen wurde für das Jahr 1938 dennoch von ca. 350 der ca. 500 jüdischen Mitglieder noch der volle Mitgliedsbeitrag eingehoben. Die Publikationen zu den medizinischen Fortbildungsveranstaltungen der Jahre 1939 bis 1944 stehen teilweise deutlich unter dem Einfluss der NS-Ideologie.

Nach der Wiedererrichtung der Gesellschaft der Ärzte in Wien im Jahr 1945 bemühten sich die neuen Vorstandsmitglieder zunächst um eine genaue Prüfung der politischen Belastung neuer Mitglieder oder der Fortsetzung von Mitgliedschaften. Mit dem Nationalsozialistengesetz 1947 begann die Reintegration ehemaliger NSDAP-Mitglieder, die sich sowohl am Wiederaufbau der Kliniken und des Universitätsbetriebes als auch am Aufbau der Gesellschaft maßgeblich beteiligten. Gedenken und Rückholbemühungen vertriebener Mitglieder waren hingegen überschaubar, obwohl es erwähnenswerte Initiativen gab, wie die Verleihung korrespondierender und Ehrenmitgliedschaften. Die Rede von Viktor Frankl am 25. März 1949 anlässlich der Jahreshauptversammlung im Billrothhaus "In memoriam. Den Opfern der Jahre 1938 bis 1945" ist ein berührendes Zeitzeugnis.

Erste Schritte zu einer Aufarbeitung der "kritischen Jahre" in der Geschichte der Gesellschaft der Ärzte in Wien erfolgten erst im Zuge der Waldheim-Affäre 1986 langsam und gegen anfänglichen Widerstand einzelner Mitglieder. Die systematische Bearbeitung seit Beginn 2023 ist schließlich mit Unterstützung durch den Zukunftsfonds und den Nationalfonds für Opfer des Nationalsozialismus der Republik Österreich möglich geworden. Mit dem seit dem Terrorüberfall vom 7. Oktober 2023 international rapide anwachsenden Antisemitismus erhielt unsere Arbeit zusätzlich eine traurige Aktualität.

Das Symposium stellt die Fortsetzung einer Veranstaltungsreihe und den vorläufigen Abschluss unseres gleichnamigen Projekts zur Aufarbeitung der Vereinsgeschichte im 20. Jahrhundert dar.