Patientinnen mit Schwangerschaftsdiabetes zeigen unterschiedliche Krankheitsverläufe. Sie benötigen daher individuell auf sie zugeschnittene Behandlungsmaßnahmen. Im Rahmen der Studie analysierten Forscher:innen der MedUni Wien in Zusammenarbeit mit Kolleg:innen der Charité – Universitätsmedizin Berlin und des Consiglio Nazionale delle Ricerche Padua bestimmte Daten von 2.682 Frauen mit Schwangerschaftsdiabetes (GDM), die zwischen 2015 und 2022 an der MedUni Wien und der Charité routinemäßig erhoben worden waren. Mithilfe von Clusteranalysen, einer Methode des maschinellen Lernens, wurden die Patientinnen in verschiedene Gruppen eingeteilt – basierend auf Routineparametern wie Alter, Body-Mass-Index (BMI) vor der Schwangerschaft sowie Blutzuckerwerten aus einem Glukosetoleranztest (OGTT). "Daraus ließen sich ganz klar drei Cluster mit unterschiedlichem Therapiebedarf ableiten. Darüber hinaus haben wir gesehen, dass auch verschiedene Schwangerschaftskomplikationen in den einzelnen Untergruppen unterschiedlich gehäuft auftreten", erläutert Studienleiter Prof. Christian Göbl (Universitätsklinik für Frauenheilkunde, MedUni Wien).
Der erste Subtyp besteht aus Frauen mit den höchsten Blutzuckerwerten, einer hohen Adipositasprävalenz und dem höchsten Bedarf an blutzuckersenkenden Medikamenten. Die zweite Untergruppe umfasst Frauen mit mittlerem BMI und erhöhten Nüchternblutzuckerwerten. Frauen mit normalem BMI, aber erhöhten Blutzuckerwerten nach der OGTT wurden im dritten Subtyp zusammengefasst. "Die Patientinnen in den von uns ermittelten Untergruppen zeigten bemerkenswerte Unterschiede in Bezug auf den Bedarf an glukosesenkenden Medikamenten und Behandlungsmodalitäten wie zum Beispiel schnell wirkendes gegenüber intermediärem oder lang wirkendem Insulin", so Göbl über die enorme klinische Relevanz der Studienergebnisse. Sie legen den Grundstein für weitere Forschungsarbeiten zur Entwicklung optimaler Behandlungsstrategien für jede Subgruppe.
Das neu geschaffene Modell dafür basiert auf maschinellem Lernen, einem Bereich der künstlichen Intelligenz, der Vorhersagen und Entscheidungen aus Daten ableiten kann. "Dazu werden in diesem Fall nur wenige Parameter benötigt, die in der klinischen Routine bei Schwangerschaftsdiabetes ohnehin immer vorhanden sind. So können Patientinnen noch spezifischer und individualisierter beraten und behandelt und das Risiko für Komplikationen bei Mutter und Kind weiter verringert werden", erklärt Göbl.
Die Studie wurde im Fachjournal "Diabetologia" publiziert.
Salvatori et al. (2024). Identification and validation of gestational diabetes subgroups by data-driven cluster analysis. Diabetologia. https://doi.org/10.1007/s00125-024-06184-7