Hausärzt:in 11/2024
Ärzt:in Assistenz 02/2024

Posttraumatische Belastung nach Bergunfällen

Ein interdisziplinäres Team der Med Uni Innsbruck mit Unterstützung des Bozner Forschungszentrums Eurac Research hat erstmals herausgefunden, dass 20 % von 307 befragten Patient:innen sechs Monate nach einem Alpinunfall unter einzelnen Symptomen einer posttraumatischen Belastungsstörung litten.

Erstmals ist ein interdisziplinäres Team unter der Leitung von Univ.-Prof. PD Dr. Katharina Hüfner von der Univ.-Klinik für Psychiatrie II dem unter anderen Kolleg:innen der Univ.-Klinik für Orthopädie und Traumatologie und die Alpinmediziner Hermann Brugger (Eurac Research, Bozen) und Peter Paal (Anästhesist und Präsident des Kuratoriums für Alpine Sicherheit, ÖKAS) angehören, dem Auftreten von PTBS nach Alpinunfällen nachgegangen. Dabei luden die Forscher:innen erwachsene, deutschsprachige Patient:innen einige Monate nachdem diese aufgrund eines Alpinunfalls an der Univ.-Klinik für Orthopädie und Traumatologie Innsbruck behandelt worden waren, zur Teilnahme an einer Online-Befragung ein. Insgesamt waren es 307 Studienteilnehmer:innen, die leichte (37 %), moderate (35 %) und schwere (28 %) Verletzungen erlitten hatten. Die meisten dieser Unfälle passierten beim Skifahren oder Snowboarden auf gesicherten Pisten (knapp 60 %), gefolgt von Fahrradfahren und Wandern. Das Ziel der Befragung war es, herauszufinden, wie diese Patient:innen das Ereignis psychisch verarbeitet haben. 

Das Ergebnis: Nur 1,3 % der Studienteilnehmer:innen entwickelten das Vollbild einer PTBS, während 20 % einzelne Symptome einer PTBS sechs oder mehr Monate nach dem Alpinunfall zeigten. Um die Fragebögen auszuwerten, verwendeten die Wissenschafter:innen einen Machine Learning Algorithmus. So konnten die Studienteilnehmer:innen drei Gruppen von psychischen Reaktionsmustern zugeordnet werden: Ein Drittel der Patient:innen wies keinerlei Symptome einer PTBS auf und war auch sonst psychisch gesund. Ein weiteres Drittel, das im Schnitt jünger war als die restlichen Teilnehmer:innen, zeigte Symptome, die auf eine PTBS hindeuten können und gleichzeitig Symptome von Depression, Panik und Angst. Sie berichteten auch von einer schlechten Lebensqualität und litten oft noch unter körperlichen Folgen des Unfalls. Viele von diesen Personen hatten schon einmal psychische Beschwerden in der Vergangenheit, wie depressive Episoden oder Anzeichen eines "Burn-Outs". Das charakteristische Merkmal der dritten Gruppe war das so genannte posttraumatische Wachstum: "Das bedeutet, dass man nach einem schlimmen Ereignis, eine gewisse Kraft für sein Leben ziehen und sich daraus positiv entwickeln kann. Man sieht beispielsweise, dass man gute Freunde hat, sich unterstützt fühlt oder bestimmte Dinge mehr schätzt, die man zuvor als selbstverständlich angesehen hatte", so Erstautorin Hanna Salvotti.

Die Studie wurde im Fachjournal "European Archives of Psychiatry and Clinical Neuroscience" publiziert.

Salvotti et al. (2024). Three distinct patterns of mental health response following accidents in mountain sports: a follow-up study of individuals treated at a tertiary trauma center. European Archives of Psychiatry and Clinical Neuroscience. https://doi.org/10.1007/s00406-024-01807-x