Hausärzt:in 11/2024
Ärzt:in Assistenz 02/2024

Gehirn: Neue Einblicke in zelluläre Prozesse nach Schlaganfall

Bisher fehlt es an möglichen Ansätzen, um die Regeneration des geschädigten Nervengewebes im Gehirn nach einem Schlaganfall zu fördern, da die zellulären Reaktionen auf einen Hirninfarkt noch nicht vollständig geklärt sind. Eine Studie unter Leitung der MedUni Wien schließt wichtige Wissenslücken und legt damit den Grundstein für die Erforschung neuer, zielgerichteter Therapiestrategien.

Das Forschungsteam um Erstautor Dr. Daniel Bormann (Universitätsklinik für Thoraxchirurgie) und die Studienleiter Univ.Prof. Dr. Hendrik J. Ankersmit, MBA (Universitätsklinik für Thoraxchirurgie) und Assoc. Prof. PD Dr. Michael Mildner (Universitätsklinik für Dermatologie) setzte die sogenannte Einzelzell-RNA-Sequenzierung an Tiermodellen ein, um die Aktivität einzelner Zellen im Gehirn nach einem Schlaganfall zu untersuchen. Mit dieser Methode konnten sie verschiedene Zelltypen und ihre Reaktionen in der frühen Phase nach einem Hirninfarkt feststellen. Im Fokus standen dabei zwei bestimmte Zelltypen aus der Gruppe der Gliazellen: Astrozyten und Oligodentrozyten. Sie sind an vielen grundlegenden Prozessen im Gehirn beteiligt.

Der Wissenschaft ist bereits bekannt, dass sich Astrozyten nach einem Schlaganfall rasch teilen und um den Infarktbereich ansammeln. "Wir konnten nun unter anderem nachweisen, dass sich auch Oligodentrozyten-Vorläuferzellen in der akuten Infarktphase teilen und am Rand des geschädigten Nervengewebes anreichern", erklärt Bormann. In weiteren komplexen Analysen kamen die Forscher:innen möglichen Mechanismen bei der Wundheilung des geschädigten Gehirnareals auf die Spur. Bormann berichtet: "Wir haben beträchtliche Überlappungen in den Genaktivitätsmustern beider Zelltypen festgestellt, insbesondere bei jenen Genen, die für den Aufbau der glialen Barriere um den Infarkt wichtig sind." Darüber hinaus entdeckte das Team, dass die Immunzellen Mikroglia und Makrophagen, die ebenfalls in der Nähe des Infarkts zu finden sind, das Signalmolekül Osteopontin freisetzen. Das Molekül könnte entscheidend daran beteiligt sein, die Gliazellen an den Rand des Infarktes zu locken. Dort werden sie unter anderem benötigt, um eine Barriere zwischen dem geschädigten und dem gesunden Gewebe zu bilden. 

"Unsere Beschreibung des Zusammenspiels von Immun- und Gliazellen im Infarktbereich leistet einen wichtigen Beitrag, um die Regenerationsprozesse von Nervengewebe im Gehirn nach einem Schlaganfall besser zu verstehen", fasst Bormann abschließend die Bedeutung der Studienergebnisse zusammen.

Die Forschungsarbeit wurde im Journal "Nature Communications" veröffentlicht.

Bormann et al. (2024). Single-nucleus RNA sequencing reveals glial cell type-specific responses to ischemic stroke in male rodents. Nature Communications, 15(1). https://doi.org/10.1038/s41467-024-50465-z