Hausärzt:in 10/2024

Fortgeschrittene Lebererkrankung: Identifikation mit nicht-invasiven Tests

Ein Forschungsteam der MedUni Wien konnte einen Schwellenwert für einen einfachen Bluttest ermitteln, mit dem Menschen mit einem erhöhten Risiko für Komplikationen auch ohne Spezialuntersuchung identifiziert werden können. Zudem konnte die Forschungsgruppe nachweisen, dass nicht-invasive Tests vergleichbar gute Aussagen wie minimal-invasive Tests machen können. 

Da überproportional häufig junge Patient:innen betroffen sind, ist die fortgeschrittene Lebererkrankung die zweithäufigste Ursache verlorener Erwerbsjahre. In Österreich werden keine strukturierten Programme zur Erkennung von asymptomatischen Patient:innen mit fortgeschrittener Lebererkrankung angeboten, auch da die Verfügbarkeit der bisher dafür nötigen Spezialuntersuchungen (z.B. die ultraschall-basierte Lebersteifigkeitsmessung) weitgehend auf hepatologische Schwerpunktabteilungen beschränkt ist.

In der ersten der beiden Studien analysierte die Forschungsgruppe der Universitätsklinik für Innere Medizin III (Klinische Abteilung für Gastroenterologie und Hepatologie der) rund um Georg Semmler, Lukas Hartl, Mathias Jachs und Mattias Mandorfer einige tausend Patient:innen aus Wien und Salzburg, um einen Schwellenwert für den FIB-4-Score zu bestimmen, der einer fortgeschrittenen Lebererkrankung entspricht, also einer Lebersteifigkeit von 10 kPa. Die erfasste Personengruppe wies ein massiv erhöhtes Risiko für leberbezogene Komplikationen (Auftreten von Bauchwasser, Blutungen aus dem Verdauungstrakt, sowie Verwirrtheitszustände) auf und bedarf einer unmittelbaren hepatologischen Abklärung und Therapie. "Bisherige Schwellenwerte dürften entweder zu wenig spezifisch bzw. sensitiv gewesen sein, wodurch zu viele Gesunde fälschlich erfasst bzw. Erkrankte übersehen wurden", erklären die Erstautoren Georg Semmler und Lukas Hartl.

In einer weiteren Studie konnte die Forschungsgruppe nachweisen, dass mittels nicht-invasiver Tests (Lebersteifigkeitsmessung und/oder Bluttests) das individuelle Risiko der so erfassten Patient:innen vergleichbar gut wie mit der minimal-invasiven Ermittlung des Lebervenendruckgradienten eingeschätzt werden kann. "Bei Risikopatient:innen wurde bisher mit einer minimal-invasiven Messung des Lebervenendruckgradienten festgestellt, ob Medikamente zur Reduktion der Dekompensationswahrscheinlichkeit verabreicht werden sollen. Diese Messung des Lebervenendruckgradienten stellt jedoch eine – wenn auch geringe – Belastung für die Patient:innen dar und benötigt vor allem große ärztliche Expertise, die nicht breit verfügbar ist. Wir konnten nun zeigen, dass verschiedene nicht-invasive Tests diese Aufgabe verlässlich übernehmen können", fasst Erstautor Jachs zusammen.

Die Studien wurden in den Fachzeitschriften "Hepatology" und "Journal of Hepatology" publiziert.

Semmler et al. (2024). Simple blood tests to diagnose compensated advanced chronic liver disease and stratify the risk of clinically significant portal hypertension. Hepatology. https://doi.org/10.1097/hep.0000000000000829

Jachs et al. (2024). Prognostic performance of non-invasive tests for portal hypertension is comparable to that of hepatic venous pressure gradient. Journal of Hepatology. https://doi.org/10.1016/j.jhep.2023.12.028