Hausärzt:in 11/2024
Ärzt:in Assistenz 02/2024

Neue Behandlungsoption: Mit Viren gegen Bakterien

An der Universitätsklinik für Thoraxchirurgie von AKH Wien und MedUni Wien wurde in Kooperation mit der Klinischen Abteilung für Infektionen und Tropenmedizin nun erstmals in Österreich ein Patient außerhalb einer Studie erfolgreich therapeutisch mit inhalativen Bakteriophagen behandelt.

Der Patient, der vor längerem lungentransplantiert wurde, litt seit mehreren Jahren unter einer chronischen Kolonisation der Lunge mit einem Keim (Pseudomoas aeruginosa). Unter den bisherigen Therapieversuchen wurde der Keim hoch resistent, wodurch keine konservativen Therapieoptionen mittels Antibiotika mehr zur Verfügung standen. Seine Lungenfunktion verschlechterte sich durch die Keim-Besiedelung kontinuierlich. Dieser Patient wurde jetzt erstmals in Österreich mit Viren, die ausschließlich Bakterien infizieren, sogenannten Bakteriophagen (kurz Phagen) behandelt. Für 28 Tage erhielt er mehrfach täglich Inhalationen mit einem Phagen, der nur den spezifischen Keim des Patienten angreift und zerstört. "Durch die Behandlung mit dem Bakteriophagen kam es zu einer beeindruckenden Besserung der Beschwerden des Patienten", erklärt Matthias Vossen von der Klinischen Abteilung für Infektionen und Tropenmedizin, Universitätsklinik für Innere Medizin I von AKH Wien und MedUni Wien.

Die Therapie erfolgte in Zusammenarbeit mit der Anstaltsapotheke des AKH Wien und dem Queen Astrid Military Hospital in Brüssel, das über eine große Phagenbank verfügt. Bakteriophagen sind hoch spezialisiert und befallen oft nur einen oder wenige Unterarten eines bestimmten Krankheitserregers. "Die Austestung, welcher Phage bei welchem Patienten zum Einsatz kommt, ist sehr aufwändig, da die Phagentherapie auch immer mit einem passenden Antibiotikum begleitet werden muss. Die notwendige Austestung kann nur von einem ganz frischen Isolat des jeweiligen Keimes erfolgen", so Vossen. Dadurch ist die Therapie etwas eingeschränkt. Eine sogenannte "kalkulierte" Therapie ist, ohne den Erreger anzüchten zu können, nicht möglich. Da die Therapie noch wenig erprobt ist, wurde die Phagenkonzentration in der Lunge und das Blutbild des Patienten genau überwacht, um eine sichere und effektive Behandlung sicherzustellen.

Mit Bakteriophagen können aufgrund des gänzlich anderen Wirkmechanismus Keime behandelt werden, die auf eine Vielzahl der einsetzbaren Antibiotika resistent sind. Für betroffene Patient:innen ist die Behandlung mit Bakteriophagen oft die einzige Option auf eine erfolgreiche Therapie der Infektionserkrankung. Die maßgeschneiderte Therapie soll in ausgesuchten Fällen über die Klinische Abteilung für Infektionen und Tropenmedizin, Universitätsklinik für Innere Medizin I von AKH Wien und MedUni Wien angeboten werden. Derzeit wird an AKH Wien und MedUni Wien in verschiedenen Fachbereichen an den Anwendungsmöglichkeiten von Bakteriophagen geforscht, beispielsweise bei Neurodermitis.